Verband Deutscher Ubootfahrer e.V.
28. Nationales Ubootfahrertreffen
Eckernförde 26.04. – 28.04.2024
Vom 26. bis 28. April 2024 fanden sich fast 300 nationale Teilnehmer sowie einige internationale Gäste in der „Uboot-Hauptstadt“ an der schönen Eckernförder Bucht zum 28. Nationalen Ubootfahrertreffen ein. Das Résumé vorweg: Ein sehr gut organisiertes Treffen voller Wiedersehensfreude mit erstklassigen Vorträgen und einem musikalischen Festabend sowie poetischen Einlagen.
Freitag, 26. April 2024
Einlaufbier
Nach dem Delegiertentag am Freitagvormittag begann das offizielle Programm nachmittags mit dem Einchecken der Teilnehmer in der Schiffstechnischen Landanlage (STLA) des Ausbildungszentrum Uboote (AZU) im Marinestützpunkt Eckernförde. Hier fanden sich die Gäste auch zum Einlaufbier ein.
Der späte Nachmittag stand ganz im Zeichen der Wiedersehensfreude und des Einlaufbieres. Nach der offiziellen Begrüßung durch unseren Präsidenten Michael Setzer folgte das obligatorische „Klarmachen zum Peilen!“. Der Proviantmeister hatte mit seinen Helfern einen erstklassigen und variantenreichen Imbiss vorbereitet, für den wir uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken möchten! Danach bestand die Möglichkeit, das AZU mit einem geführten Rundgang sowie die im Stützpunkt liegenden Einheiten des 1.Ubootgeschwader zu besichtigen.
Vereinbarungsgemäß verließen wir das AZU gegen 20:30 Uhr und verlegten in diverse Lokalitäten in der Innenstadt zu Essen und Kaltgetränken. Für fast 300 Personen Räumlichkeiten zu finden, war nicht einfach. Einige Kameradschaften hatten selbst Räumlichkeiten reserviert, für den großen Rest hat Carsten Beuler das als einheimischer Scout zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. So wurden die Wiedersehensfeiern in Form von Kameradschafts- und Regionaltreffen, meistens mit „open-end“, fortgesetzt.
Samstag, 27. April 2024
Vorträge, Podiumsdiskussion, Festabend
Nach einem (Kater-) Frühstück führte uns das eng getaktete Programm in die Stadthalle von Eckernförde, wo uns ein weiteres Highlight des Treffens erwartete. Siehe dazu den Artikel von Raimund Wallner „Fachtagung Nationales Ubootfahrertreffen in Eckernförde“.
An dieser Stelle soll daher nur kurz auf die Verabschiedung ausscheidender Vorstandsmitglieder und Regionalbeauftragter eingegangen werden. Zunächst verabschiedete der Präsident drei Vorstandmitglieder, die zwölf Jahre sehr engagiert ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten ausgeübt hatten: Morgan von Müller (Redakteur AUFTAUCHEN!), Karl-Josef Schmeink (Webmaster / IT-Beauftragter) und Jürgen Weber (Geschäftsführer). Neben den wohlgewählten, persönlichen Worten und dem Handschlag erhielten alle drei persönliche Präsente, die unser Präsident zusammen mit seiner Frau - auf die Empfänger zugeschnitten - beschafft hatte. Erwin Daube als ausscheidender Regionalbeauftragter West stand dann allein auf der Bühne; sein Counterpart Nordwest, Heiko Mross, war leider nicht anwesend. Michael dankte beiden ganz herzlich für ihre gut zehnjährige engagierte und zuverlässige Arbeit und überreichte Erwin den Coin des Präsidenten VDU.
Der Vormittag in der Stadthalle endete mit einem ausgezeichneten Mittagsimbiss; dann standen Busse und V-Boote bereit, um die Teilnehmer in den Marinestützpunkt zu bringen. Im Kranzfelder Hafen konnten die Gäste das AZU, die WTD71, das Unterseeboot U 36 sowie das Messboot STOLLERGRUND besichtigen.
Ein weiteres Highlight war unser Festabend in der Stadthalle! Unser Präsident Michael Setzer begrüßte zunächst unsere Ehrengäste und deren Partner: Die Bürgermeisterin Iris Ploog, den Bürgervorsteher Peter Stark, den Kommandeur Einsatzflottille 1 Flottillenadmiral Sascha Helge Rackwitz, den Kommandeur des 1. Ubootgeschwader Fregattenkapitän Lars Gößing, MA Johannes Peters vom ISPK der Universität Kiel, sowie die uns musikalisch in bekannter Art und Weise durch den Abend begleitende Night-Time-Band des Marinemusikkorps Kiel unter der Leitung von Oberstabsbootsmann Normann Röhl. Dann hieß er alle Ubootfahrer und weitere Gäste herzlich willkommen.
Das Gala-Buffet wurde eröffnet und in all seinen Facetten von den Gästen und Teilnehmern kulinarisch ausgekostet. Danach war Bewegung angesagt: Zeit das Tanzbein zu schwingen! Die Night-Time-Band spielte auf und brachte Stimmung in den Saal.
In den Musik- und Tanzpausen gab uns Poesiematrose Veronica Scholz mit ihren selbst verfassten künstlerischen Stücken Einblicke in die ungewöhnliche Kunstrichtung des Poetry-Slam. Ein echter Hochgenuss: SEEMENSCH: „Ein Schiff, ein Boot, ein Uboot, ist nie allein am Horizont…“.
Der Abend war noch lange nicht zu Ende! Es wurde gefeiert, getanzt, geklönt, gespendet und versteigert. Zwei Sammeldosen machten die Runde und wurden gut gefüllt; aber auch die Versteigerung einer von unserem Mitglied Mathias Wulff eigens aus einem Stück gefertigten Sitzmaschine aus Holz wechselte den Besitzer und ging an den Meistbietenden Dieter Eisenbeis aus Hamburg. Auch aus dem Buchverkauf „Männer in Dosen“ von Wolfgang (Owie) Hett gingen Spendengelder in die Sammlung ein.
Alle Aktionen zusammen ergaben 2.104 EUR, die der VDU auf 3.000 EUR aufstockte und zu gleichen Teilen an das U-Boot-Ehrenmal Möltenort und den DMB zur Rettung des Marine-Ehrenmals Laboe weiterleitete.
Dieser tolle, stimmungsvolle Tag endete mit einem Hängemattswalzer gespielt von der Combo Night-Time-Band und getanzt von glücklichen Paaren ganz nach dem DOLPHIN THREE SIX Code: Submariners are super!
Sonntag, 28. April 2024
Gedenkzeremonie, Get-togehter, Abschied
Die Gedenkfeier am U-HAI-Gedenkstein im Marinestützpunkt wurde eingeleitet durch eine gefühlvolle Ansprache unseres Präsidenten Michael Setzer, bei der besonders an die 19 Besatzungsmitglieder, die am 14. September 1966 durch einen tragischen Unfall bei einem Sturm auf der Doggerbank in der Nordsee ums Leben kamen. Auch unserer seit dem letzten Treffen 2022 verstorbenen Mitglieder wurde gedacht sowie auch den nationalen und internationalen Kameraden, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben verloren.
Die Trauerandacht wurde ehrenvoll von Militärdekan Jens Anders und Militärpfarrer Jens Augustin gehalten. Der Trompeter des Marinemusikkorps unterstrich die würdevolle Gedenkzeremonie an unsere Kameraden: „Schleife richten, Mütze ab! Ich hatt´ einen Kameraden!" Die Kranzniederlegung mit Ehrenbekundung wurde durch Ralf Schmitt-Raiser und Michael Setzer durchgeführt.
Das Get-together fand bei einem kleinen Imbiss mit etwa 100 Teilnehmern im AZU statt. Dabei wurde das Organisationsteam mit den Kameraden Arndt Henatsch, Ralf Schmitt-Raiser und Carsten Beuler mit einem großen Dankeschön durch unseren Präsidenten bedacht und mit dem Coin des VDU-Präsidenten ausgezeichnet. Ohne das Team und seine Helfer und Unterstützer wäre dieses großartige Treffen nicht zustande gekommen.
Der Abschied fiel nicht leicht, aber man sieht sich ja spätestens 2028 zum 29. Nationalen Ubootfahrertreffen im oberbayerischen Starnberg wieder. Christian Moritz (UK U-34/DELTA) hatte die Patenstadt von U 34 bzw. Besatzung DELTA als Ort des nächsten Treffens vorgeschlagen.
Torsten Riedel
Der Delegiertentag des VDU
Eckernförde 26. April 2024
Von Freitag 26. bis Sonntag 28. April 2024, fand das 28. Treffen des VDU wie immer in Verbindung mit dem Delegiertentag statt. Bereits am Donnerstagabend trafen sich Vorstandsmitglieder, Regionalbeauftragte sowie der Beirat des Vorstands zu einer zwanglosen Besprechung. Das Stadthotel in Eckernförde hatte uns dafür Platz im Frühstücksraum reserviert und kostenlos überlassen. Bei all den Annehmlichkeiten im Haus und dem ohnehin sehr zuvorkommenden Personal war das ein weiterer Pluspunkt für das Hotel!
Vorstand, Beirat und Regionalbeauftragte kommunizieren hauptsächlich per E-Mail und Telefon. Ein persönliches Treffen in dieser Zusammensetzung findet nur höchst selten statt. Daher bietet sich der Vorabend des Delegiertentags immer für solch ein informelles Treffen an, um Neuigkeiten, geplante Vorhaben und Erfahrungen auszutauschen. Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt ist die Pflege der sozialen Beziehungen in diesem Kreis.
Was ist der Delegiertentag?
Für langjährige Funktionsträger im VDU ist der Delegiertentag fester Bestandteil der Nationalen Ubootfahrertreffen. Für alle anderen und neu eingetretene Mitglieder sei zur Erläuterung noch einmal unsere Satzung (bit.ly/VDU-Satzung) herangezogen: Nach § 6 sind die Organe des VDU der hinlänglich bekannte VDU-Vorstand sowie der weniger bekannte - aber übergeordnete - Delegiertentag, der im § 7 ausführlich erläutert wird.
Im ersten Absatz heißt es: „Der Delegiertentag ist eine ordentliche Mitgliederversammlung im Sinne des § 32 BGB. Er wird vom Präsidenten des VDU einberufen und findet in der Regel zum jeweiligen nationalen Ubootfahrertreffen, mindestens jedoch alle vier Jahre statt.“ Die Delegierten bestehen aus dem Vorstand des VDU, den Regionalbeauftragten sowie den Vorsitzenden bzw. Abgesandten der Kameradschaften.
Freitag, 26. April: Der Delegiertentag
Am Freitag eröffnete Michael Setzer als Präsident um 10:00 Uhr den Delegiertentag im Haus Marienburg (OHG/UHG) des Marinestützpunkts Eckernförde, hieß die Anwesenden willkommen und stellte die Beschlussfähigkeit fest. Zur Einstimmung fasste er die Gesamtlage des VDU zusammen: „Uns geht es gut. Wir haben steigende Mitgliederzahlen, wir sind anerkannt, wir sind gut vernetzt, wir bieten unseren Mitgliedern etwas, es geht voran.“ Anschließend gab Michael einen ausführlichen Überblick über die Lage des VDU, seine Stärken und Schwächen. Es folgten sein Rechenschaftsbericht und die der übrigen Vorstandsmitglieder.
Dann standen der TOP 5 (Bestimmung eines Wahlleiters) und TOP 6 (Neuwahl des Vorstands) auf dem Programm. Mit Norbert Hermann war sofort ein Wahlleiter gefunden, bei den Kandidaten der Vorstandsposten war das in einem Fall leider nicht so. Aus Altersgründen standen Geschäftsführer, Redakteur und Webmaster/IT-Beauftragter nach zwölf Jahren nicht wieder zur Wahl. Michael Setzer wurde wieder zum Präsidenten gewählt, Oliver Schütz erneut zum Kassenwart und Jens Grimm als Beisitzer Marine bestätigt. Nachfolger als Geschäftsführer für Jürgen Weber wurde Torsten Riedel und als Nachfolger von Karl-Josef Schmeink wurde Heino Müller zum Webmaster/IT-Beauftragten gewählt. Und nun der Wermutstropfen: In einem Verband von 800 (in Worten achthundert) Mitgliedern fand und findet sich niemand, der das Amt von Morgan von Müller nach elfeinhalb Jahren übernimmt! Das ist in meinen Augen beschämend. Haben die Kameraden eines Traditionsverbands mittlerweile eine ähnliche Einstellung zu Ehrenämtern wie Mitglieder in Sport-, Gesangs- oder Kaninchenzüchtervereinen?
Zurück zur Vorstandswahl: Alle fünf Kandidaten wurden einstimmig gewählt und nahmen die Wahl an. Der Posten des Redakteurs bleibt vakant. Sicher ist Morgan von Müller mit seinen brillanten Editorials nur schwer zu ersetzen. Ein Nachfolger (generisches Maskulinum) legt da sicher unbewusst eine hohe Messlatte an – muss er aber nicht. Wenn sich denn endlich jemand findet - Michael Setzer spricht seit zwei Jahren vergeblich Kandidaten an -, hat er bei seiner Arbeit auch die Unterstützung des gesamten Vorstands.
Und noch ein Problem wurde auf dem Delegiertentag klar angesprochen: Karl-Josef Schmeink ist übergangsweise bereit, unser Auftauchen! weiterhin als Layouter zu gestalten. Aber eben nur noch für eine begrenzte Zeit. Dass ihm das Layout besser gelingt als mancher professionellen Redaktion, zeigt er uns mit jeder neuen Ausgabe unseres Magazins. Findet sich deswegen auch wieder keiner, der den Mumm hat sich an diese Aufgabe heranzuwagen? Also Freiwillige nicht auf Durchzug schalten, sondern Karl oder den Vorstand kontaktieren und sich über die Tätigkeit als Layouter informieren.
Erfreulich war, dass Christian Moritz von der Ubootkameradschaft U 34/DELTA sich schon Gedanken um das nächste Treffen gemacht hat. Sein Vorschlag, das in der Patenstadt Starnberg möglicherweise zusammen mit einem Besuch der Besatzung DELTA und der Unterstützung durch die UK München auszurichten, wurde einstimmig angenommen. Und das soll alles im Jahr 2028 stattfinden.
Abschließend kamen alle Delegierten der Kameradschaften sowie die Regionalbeauftragten zu Wort und berichteten aus ihren Organisationen. Um 14:50 Uhr beendete der Präsident den Delegiertentag.
Jürgen Weber
Fachtagung Nationales Ubootfahrertreffen in Eckernförde
Begrüßung durch den Präsidenten des VDU, Kapitän zur See a.D. Michael Setzer
Moderation und Keynote-Address:
- Johannes Peters (Abteilungsleiter Maritime Strategie und Sicherheit am ISPK der Universität Kiel)
Vortragende und Podiumsdiskutanten:
- Flottillenadmiral Sascha H. Rackwitz (Kommandeur Einsatzflottille 1),
- Frank Menning (Direktor Wehrtechnische Dienststelle 71),
- Christoph Hernekamp (Head of Project Management Services, thyssenkrupp Marine Systems),
- Fregattenkapitän Lars Gößing (Kommandeur 1. Ubootgeschwader)
1.
Einführung durch Johannes Peters zum geopolitischen und sicherheitspolitischen Umfeld
In seiner Anmoderation der Tagung führte P. aus, dass wir derzeit eine „Polykrise“ erleben, eine Art „Weltunordnung“, neben zahlreichen anderen Gründen auch hervorgerufen und verstärkt durch die innenpolitische Zerrissenheit der USA, begleitet von einem wachsenden Rückzug aus deren 70 Jahre andauernder, globaler Verantwortungsübernahme. Da Macht in der Geopolitik ein „Nullsummenspiel“ sei, gewännen vor diesem Hintergrund andere Akteure an Einfluss und wir erlebten dort, wo auf die gewohnten Sicherheitsgarantien der USA kein Verlass mehr sei die Entstehung krisenhafter Brennpunkte mit Potenzial zum Konflikt (Beispiel Taiwan) bis hin zu Kriegen in Europa und an seiner Peripherie.
In Europa herrsche weitgehend Konsens darüber, dass es selbstständiger und verteidigungsfähiger werden müsse. Deutschland stehe rüstungspolitisch erst am Anfang der Debatte, was ihm Wehrhaftigkeit, Abschreckungsfähigkeit und Resilienz wert seien und wie finanzierbar. Außenpolitisch müsse Deutschland bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen. Kein europäischer Staat sei allein stark genug, um geopolitisch eine maßgebliche Rolle zu spielen, Europa als Ganzes dagegen sehr wohl. Es müsse den Staaten des globalen Südens attraktive Angebote zur Kooperation machen, ohne mit erhobenem Zeigefinger aufzutreten. So werde die EU zu einem eigenständigen geopolitischen Player, der sich in der neuen Weltunordnung positionieren und behaupten könne.
2.
Impulsvortrag von Flottillenadmiral Sascha H. Rackwitz zur Antwort der Bundeswehr auf die Zeitenwende
Wir seien derzeit – oberflächlich betrachtet – dort zurück, wo wir einmal waren, will heißen „Kalter Krieg“ und Landes- bzw. Bündnisverteidigung. So eröffnete R. seinen Beitrag. Wogegen es aber damals in Nord- und Ostsee um das Verhindern eines sowjetischen „Ausreißens“ gegangen wäre, sei Deutschland heute kein Frontstaat mehr und die „Hauptkampflinie“ läge 1.000 km östlich von uns, wobei die Ostsee zu einem quasi „NATO-Lake“ geworden sei. Daraus könne man aber keine beruhigenden Folgerungen ableiten; so habe Neuankömmling Finnland immerhin eine 1.000 km lange Grenze mit Russland und sei im Konfliktfall auf Versorgung über See angewiesen. Das Land sei aus strategischer Sicht so etwas wie eine Insel. Russland sei kein Akteur in einer bipolaren Welt mehr, sondern wäge in einer multipolaren Konstellation seine Möglichkeiten ab und teste sie. Wir könnten nicht mehr davon ausgehen, dass unsere Abschreckung gegenüber Russland stabil funktioniere, und dessen Agieren sei nicht mehr berechenbar. Seine perzipierte Rekonstitutionsfähigkeit (nach dem Ukrainekrieg) von drei bis fünf Jahren sei mit Vorsicht zu betrachten. Wenn es zu der Überzeugung gelange, dass die USA nicht zu Hilfe eilten, dann könne es sehr viel schneller zu einem neuen Angriffskrieg kommen.
Mit Blick auf unsere Streitkräfte würden die Begriffe „Grundbetrieb/ Einsatz“, „Frieden/Krise/Krieg“ nicht mehr greifen, sie sind nicht mehr klar trennbar – nachdem wir fortwährend Angriffen wie z.B. bei „Nordstream 2“, im Cyberraum und durch intensive Spionage ausgesetzt seien. Trotz Abwesenheit von Krieg seien wir jetzt bereits gezwungen und müssten in der Lage sein, uns zu verteidigen. Die Bundeswehr befinde sich in ihrem tiefgreifendsten Wandel seit 1955, nicht erst seit 1990! Wir müssten jetzt als Nation (nicht wie früher nur im Bündnis) Verantwortung übernehmen. Ein Beispiel sei die deutsche Führung in der Ostsee durch MarKom – es gehe um die Erstellung einer nationalen Verteidigungsplanung, die sich nicht mehr wie früher an die NATO delegieren lasse. Die Deutsche Marine müsse dies in ihrer eigenen Planung und ihren Strukturen abbilden.
Wir müssten weg von dieser auf den (Auslands-)Einsatz fokussierten „Kontingent-Armee“, wie wir es seit 30 Jahren gewohnt seien. Alles Hergebrachte befinde sich in Veränderung. Während „Modernisierung“ ein ständig laufender Prozess bleibe, müsse die Marine immer klar sein „rauszufahren“. So habe der Inspekteur am 24.02.2022 alles rausgeschickt was schwamm, ohne Rücksicht auf den Status der Einsatzbereitschaft („combat readiness“). Wir würden gerade risikobewusstes Umgehen mit der Übernahme von Verantwortung lernen, denn bisher hätten „wir Deutsche“ in einer „Idylle“ gelebt, in der andere das für uns besorgten.
3.
Direktor Frank Menning zu Antworten im Bereich Ausrüstung und Beschaffung
Anhand des „Zielbild 2035+“, dass die „Order of Battle“ der Deutschen Marine in ca. 10 Jahren abbilde, wolle M. in seinem Vortrag die materiellen Herausforderungen behandeln. Beschaffung müsse schneller werden und der Lage angepasst. Die alten Verfahren (CPM abzulösen durch PBN = Projektbezogene Beschaffung u. Nutzung) seien zwar noch existent, müssten aber grundlegend besser werden. M. ging auf eine Reihe von Vorhaben ein, mit denen seine Dienststelle befasst sei und die hier nur stichpunktartig genannt werden können:
- Projekte 212 CD (Common Design) und Torpedo DM 2 A5
- Flugkörper IDAS (Interactive Defence and Attack System for Submarines) in 2024 noch 25-Mio-Vorlage für Fertigentwicklung
- Flugkörper 3SM (Super Sonic Strike Missile) in Version „submarine launched“ werde in Norwegen entwickelt
- Anti-Torpedo-Torpedo
- Massive Investition in Aufklärung und Lagebildaufbau, wenn P8 scheitere drohe Fähigkeitslücke bei MPA (Maritime Patrol Aircraft)
- MAWS (Maritime Airborne Warfare System) Kooperation mit Frankreich (bemannte Lfz Drohnen)
- Der UAW 90 Leichtgewichtstorpedo bleibe für die bisherigen Systeme in der Nutzung. Für die neue MPA P8 werde der amerikanischen Mk 56 beschafft
- „Seabed Warfare“ als neue Fähigkeit; iZshg mit Anschlag auf Nordstream 2 setzte WTD 71 SeaCat ein und stellte Ergebnisse Staatsanwaltschaft zVfg
- MCM-(Minenabwehr) Einheiten werden mit SeaCat (Long Range) ausgerüstet und Remus für Flachwasser wurde beschafft
- Harbor Protection werde mit mobiler Operationszentrale ausgerüstet, inkl. Sensoren zur Überwachung und Effektoren zur Drohnenabwehr
- „Operational Experimentation“ – es werden Systeme „ins Wasser geschmissen“ und geschaut, was sie könnten – u.a. große UUV (Unmanned Underwater Vehicle) mit größerer Seeausdauer
- UW-Lagebilderstellung in der Ostsee mit USV (Unmanned Surface Vehicle) und Gateway-Bojen
- Drohne MQ9B
- Multi Domain Operations zusammen mit anderen TSK
Abschließend stellte M. fest, dass das 100 Mrd-EUR Sondervermögen bereits so gut wie aufgebraucht bzw. verplant sei, was die Erhöhung des Verteidigungshaushalts umso notwendiger mache. Trotz aller finanziellen Einschränkungen sei die WTD 71 in bewährter Manier kreativ und experimentiere z.B. in Zusammenarbeit mit dem 1.UGschw im Seegebiet Eckernförder Bucht und vor der portugiesischen Küste.
4.
Dr. Christoph Hernekamp zum Instandsetzungs-Rahmenvertrag Uboote Klasse 212A
H. eröffnete seinen mit Powerpoint visualisierten Vortrag mit dem F.A.Z.-Artikel vom 02.02.2018 „Auf Tauchstation ohne Ersatzteile“ und erinnerte damit an die Zeit, als in der Tat alle Boote der Klasse 212A in der Instandsetzung waren bzw. an der Pier auf Ersatzteile warteten. Die inakzeptable Lage habe den bereits über Jahre verhandelten, aber mangels Einigung nie zum Abschluss gekommenen „Instandsetzungs-Rahmenvertrag Uboote“ (IRV), beschleunigt. Vertragspartner: BAAINBw und tkMS, mit dem MArs Wilhelmshaven als ausführende Dienststelle. Folgende Regelungen zur Instandsetzung der Boote U 31 - U 36 bilden den Kern des Vertrags:
- Definition Leistungsinhalt und
- Festpreis zu rund 400 Standard-Arbeitspaketen
- Regelungen zu darüber
- hinausgehenden Arbeiten
- IRV ist Voraussetzung für freihändige Auftragsvergabe
- Laufdauer sieben Jahre (Januar 2017 bis Dezember 2023, Verlängerung bis Dezember 2024 in Kraft)
In der Theorie lägen gemäß BEPN zu jedem Zeitpunkt ein bis zwei Boote in der Werft/im MArs und vier bis fünf Boote seien fahr- bzw einsatzbereit. Die Realität sähe jedoch anders aus. Der IRV habe aber bereits deutlich Wirkung in Richtung Verbesserungen gezeigt. Dies zeige sich an folgenden Fakten/Kennzahlen:
- Größter Rahmenvertrag des BAAINBw
- Freihändige Auftragserteilung, spart extrem viel Zeit für Ausschreibungen
- Eingespielte Regeln für die Zusammenarbeit BAAINBW / MArs / tkMS / UAN
- Mittlerweile deutlich mehr als 1.000 abgestimmte Arbeitspakete
- Auslastung: etwa 240.000 Arbeitsstunden pro Jahr; dies entspricht Arbeit für etwa 170 Mitarbeiter
Durch schritthaltende Maßnahmen würden Auftragsabwicklung und Zusammenarbeit ständig verbessert, u.a. durch Errichtung eines neuen Containergebäudes, SAP-Anpassungen, Personalaufstockung in den Reparaturbetrieben, Vorhalten von Reparaturmaterial in den tkMS-Lagern, Beschaffung von Großkomponenten durch den öffentlichen Auftraggeber (öAG) und entsprechende Bereithaltung im Depot. Dennoch sei es bisher noch nicht gelungen, die Instandsetzungsdauer auf unter 12 Monate zu drücken, tkMS und öAG sähen jedoch Potenzial zur Erreichung dieses Zieles. Mit einer schematisierten Folie zu einem IRV 2.0 zeigte H. die Vielzahl von Maßnahmen auf, von denen sich die Vertragspartner entscheidende Verbesserungen versprächen. Aus Gründen der Vertraulichkeit muss hier auf eine Detaillierung verzichtet werden, nur so viel sei preisgegeben: Zentrale Komponente dabei ist die Schaffung eines Systemunterstützungszentrums (SUZ) im Marinestützpunkt Eckernförde. Dort solle eine Kreislaufreserve mit ausreichend Austauschteilen (AT) entstehen, mit Ausbau defekter Ersatzteile (ET), deren Instandsetzung und Zertifizierung und parallel dazu der direkte Einbau fertiger ET wiederum aus der Kreislaufreserve – nach dem Modell eines „Pit-Stop“ in der Formel Eins. Stichwort: „Bootsnahes Pufferlager“.
5.
Frage- und Antwort-Session
Frage A: Warum nur zwei Boote 212CD für die Deutsche Marine?
Antwort durch FltlAdm Rackwitz:
Die Marine will mehr als sechs Boote insgesamt. Die Midlife-Conversion der 212A-Boote kommt, parallel dazu brauchen wir aber mehr als zwei CDs. Die Idee, ältere As durch CDs zu ersetzen, scheitert bisher an den Preisvorstellungen von tkMS. Sondervermögen ist verplant, im Verteidigungshaushalt (Epl 14) stehen derzeit 51 Mrd EUR; um das „2 %-Ziel“ zu verstetigen bedarf es aber zwischen 73 bis 78 Mrd EUR zum Ende der Legislaturperiode. Kraftakt, über dessen Erreichung planerisch noch keine Einigung besteht.
Zusatz durch FKpt Gößing (Kdr 1.UGschw): Personalregeneration ist entscheidend, je mehr Bootstypen, desto schwieriger. Ideal wäre, die vier Boote des 1. Loses 212A durch CD zu ersetzen (damit Gesamtzahl: sechs CD + zwei A 2. Los = acht Boote). Aber auf Geld kein Einfluss…
Zusatz durch Dir Menning: Die Fregatten sind beim Projekt F126 deutlich erfolgreicher in der Lobbyarbeit (hinsichtlich Ziehung Option auf weitere zwei Einheiten). Im Bündnis sind sechs deutsche Uboote hinnehmbar. Industrieauslastung als wesentliches Argument zum Erhalt der Fertigungskapazitäten
Frage B: Kommt NSM für 212CD? Brauchen wir nicht eine Sofortlösung, statt auf Fertigentwicklung von NSM zu warten? Ist Tomahawk von der Klasse 212 aus einsetzbar?
Antwort durch FltlAdm Rackwitz:
Russische Uboottechnologie reicht an die des Westens nahe heran. In der Ostsee kann der Gegner mit Effektoren immer wirken, Problem ist Zieldatenermittlung, die gegen Uboote besonders schwierig ist, deshalb werden Uboote in der Ostsee weiterhin eine Rolle spielen. Für Landzielbekämpfung haben wir derzeit keinen Effektor – eine Strike-Fähigkeit wurde offiziell für unsere Uboote noch nie gefordert. Warum? Hochkomplexes Thema. Die Fähigkeit muss ins Gesamtsystem passen, eine solche Forderung hätte erhebliche Verdrängungseffekte (keine weitere Erläuterung durch R.)
Zusatz durch Dir Menning: Ist eine solche ubootgestützte Strike-Fähigkeitkeit überhaupt politisch gewollt, würde sie bewilligt? Mit dem Flugkörper RBS15 sind unsere Korvetten landzielfähig. Tomahawk wäre auf der Klasse 212 sicher technisch möglich, jedoch entsprechende Entwicklung erforderlich.
Frage C: Personallage im 1. Ubootgeschwader?
Antwort durch FKpt Gößing:
Zentralisierte Personalgewinnung reicht nicht aus, um Ubootfahrer zu gewinnen. Erfolgversprechender ist dezentrale, gezielte Ansprache. So fand vom 18. bis 20.04. auf dem Berliner Breitscheidplatz eine Kick-off-Veranstaltung (Public Event: Dimension Marine) statt, bei der die Besucher, mit 3D-Brillen ausgestattet, virtuell in die Arbeit und das Leben an Bord „eintauchen“ konnten. Die Kampagne wird zunächst über vier Wochen aktiv betrieben. Das 1.UGschw ist als einziger Verband der Marine mit der angeschlossenen Website verlinkt, verbunden mit einem Callcenter. Stichworte: „Conceptual Targeting“, Zielgruppenanalyse mit Snapchat, Tiktok, mit einem Klick ist der Interessent virtuell im 1.UGschw. „Wir müssen dahin, wo wir noch nicht sind“ – über die modernen Medien und potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen gezielt erreichen.
Zur Personallage konkret: Bis Ende des Jahres werden alle Offiziersdienstposten für sieben Besatzungen besetzt sein. Das Problem der fehlenden Fachkräfte bei den Unteroffizieren bleibt akut.
Nachklapp FKpt Gößing per eMail, Stand 16.05.24: „Bis zum heutigen Tag sind nach nur 10 Tagen bereits 30 qualifizierte Bewerbungen eingegangen. Somit zeichnet sich schon jetzt ab, dass die Kampagne ein voller Erfolg ist. Dieser Ansatz könnte folglich die Blaupause für andere Verbände sein, die allerdings nur dann richtig funktioniert, wenn auch der Verband dahintersteht. Im 1.UGschw ist das auf jeden Fall so! Darauf bin ich sehr stolz und weiß das Engagement aller Beteiligten sehr zu schätzen!“
Frage D: Ist bei uns die Bereitschaft vorhanden, unser Land zu verteidigen? (Fragesteller hat Zweifel und vermisst ein „An der Seele packen“)
Antwort durch FltlAdm Rackwitz:
Ja und Nein. Die derzeitige Generation ist an Sinnstiftung interessiert, mehr als an der Gewinnmaximierung wie sie in der freien Wirtschaft propagiert wird. Dort müssen wir unsere Klientel packen, wir wollen mehr als nur Arbeit für Geld. Überzeugt, dass Deutschland verteidigungsfähig ist.
Frage E: Wie sehen die Panelisten den Wert unbemannter Systeme?
Antwort durch Dir Menning:
Der Urainekrieg zeigt, was Drohneneinsatz bedeutet. Der Bereich „Counter-UAV“ (Abwehr von Flugdrohnen) ist derzeit hochakut. Es werden weltweit tausende von Drohnen beschafft und Milliarden von Haushaltsmitteln dafür ausgegeben.
Zusatz durch FltlAdm Rackwitz: Nur mit massivem Einsatz von Drohnen ist Lethalität, Präsenz und Resilienz (hier Verkraften von Verlusten) durchzuhalten. Der Trend wird sich in der Zukunft weiter verstärken.
Zusatz durch FKpt Gößing: Drohnen werden die Fähigkeiten der Uboote erweitern. XLUUV (Extra Large Unmanned Underwater Vehicles) sind in ihren Fähigkeiten derzeit noch begrenzt, aber werden immer bedeutender. Sie werden bemannte Uboote aber nie ganz ersetzen/verdrängen. Mit XLUUV werden wir unser Personalproblem nicht lösen können.
Raimund Wallner